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Die Insekten-Ordnung der Hautflügler (Hymenoptera) umfasst in Rheinland-Pfalz rund 10.000 Arten. Die Blattwespen ohne Taillie, sowie die Gallwespen und Schlupfwespen mit Legestachel haben mit etwa 9.000 Arten den größten Anteil daran. Das Hautflügler-Kataster Rheinland-Pfalz widmet sich aber besonders den Hautflüglern mit Wespentaillie und Giftstachel, den sogenannten "Stechimmen" oder Aculeata.
Das sind die Wildbienen (Apidae), Grabwespen (Sphecidae, Crabronidae, Ampulicidae), Goldwespen (Chrysisidae), Faltenwespen (Vespidae), Wegwespen (Pompilidae), Ameisen (Formicidae) und die kleineren Familien der Rollwespen (Tiphiidae), Trugameisen (Mutillidae), Dolchwespen (Scoliidae), Keulenwespen (Sapygidae), Plattwespen(Bethylidae), Zikadenwespen (Dryinidae).
Die Erforschung dieser Insekten-Ordnung erreichte in Rheinland-Pfalz einen ersten Höhepunkt als sich in den Jahren von 1800 bis 1850 der Schmetterlingskundler Linz aus Speyer, der Botaniker W.D.J. Koch aus Kaiserslautern, Pfarrer Hoffmann aus Meisenheim und Pfarrer Philipp Wilbrand Jacob Müller aus Odenbach am Glan zu einer Art "Arbeitskreis" zusammenschlossen. Diese Naturforscher gaben zwischen 1800 und 1806 unter dem Pseudonym "Freunde der Naturgeschichte” entomologische Arbeiten heraus, die in Illigers Magazin erschienen.

Pfarrer Müller war ein ausgezeichneter Beobachter, der vor allem die Käferfauna bearbeitete. Um 1820 entdeckte er das erstaunliche Verhalten der Keulenkäfer, die ihr ganzes Leben in Nestern von Ameisen verbringen, sich dort entwickeln und von den Ameisen gefüttert werden.

Ab 1850 wirken die beiden hessischen Entomologen Adolph Schenck und Carl Ludwig Kirschbaum im Gebiet um den Mainzer Sand  und beschreiben einige Arten neu für die Wissenschaft. Ihre noch vohandenen Belege sind trotz der nicht immer eindeutig zu lokalisierenden Angaben auf den Etiketten von herausragender Bedeutung für die Landesfauna. Bei Mainz-Mombach gelingen Kirschbaum z.B. mehrere Nachweise der Kreiselwespe Bembix tarsata, deren Belege bis heute die einzigen Nachweise dieser Art in Deutschland bleiben.

Ende des 19. Jahrhunderts ist mit dem Lehrer Heinrich Habermehl wieder ein sehr gründlicher Hautflügler-Forscher aktiv, der zwischen 1890 und 1930 um seinen Wohnort Worms die Arten registrierte. Ihm gelangen einige bemerkenswerte Funde (z.B. Halictus euboense, Halictus sajoi, Ceropales variegata, Nysson interruptus), die seitdem ebenfalls verschwunden sind oder erst viele Jahrzehnte später wieder gefunden werden.

Etwa um 1920 bis 1962 stellte Lothar Zirngiebl, ein Lehrer in Leistadt (bei Bad Dürkheim) und später in Birkenheide um seine Wohnorte den Wildbienen und Wespen nach. Er verfasste ab 1953 die erste kommentierte Liste der in der Pfalz vorkommenden Wildbienen, Grabwespen und weiterer Wespenfamilien. Seine Aufsammlungen begannen noch vor der Intensivierung der Landwirtschaft, die nach 1960 die Landschaft stark veränderte. So gelangen auch ihm bedeutende Nachweise: Die Goldwespe Parnopes grandior und die Grabwespe Hoplisoides punctuosus fand er auf den Dünen bei Birkenheide zur Mitte der 1950er Jahre erstmals in Rheinland-Pfalz  - und sie sind seitdem nicht mehr bei uns festgestellt worden. Entsprechend der Zeit sind nicht alle Arten damals richtig bestimmt worden, aber seine Belege können heute noch überprüft werden – sie liegen in der Staatssammlung München. Weitere Sammler sind Anton Schoop, der in den Jahren von 1935 bis 1970 v.a. um seinen Wohnort Kirn an der Nahe sammelte und Wilhelm Aerts, der zwischen 1935 und 1958 an der Mosel und am Mittelrhein sammelte. Schoop wies z.B. die Pelzbiene Anthophora plagiata in den 1960er Jahren letztmals für Rheinland-Pfalz nach. Die Sammlungen von Aerts und Schoop liegen heute in Bonn (Museum Alexander König).

Ungefähr ab 1955 sammelte Günter Preuss neben Wildbienen und solitären Wespen auch Ameisen in der Pfalz und angrenzenden Gebieten. Ihm gelangen einige Neufunde, die auch publiziert sind. Der Haupt-Teil seiner großen Sammlung ist aber noch nicht ausgewertet und wird seit 2013 bei der POLLICHIA verwahrt. Er initierte die Durchsicht der alten Belege von Zirngiebl durch den international tätigen Bienenexperten Klaus Warncke (1984) und weckte als Professor an der Universität Landau bei seinen Studenten das Interesse für diese Insekten-Ordnung. Die Dissertation von Fritz Brechtel zur Stechimmenfauna des Bienwaldes (1983) ist hier ebenso zu nennen, wie DAS Grundlagenwerk zur Ökologie der Wildbienen - "Die Wildbienen Baden-Württembergs" – welches durch seinen ehemaligen Studenten Paul Westrich um 1990 vorgelegt wurde. Zu dieser Zeit stieg das Interesse an der Erforschung der Wildbienen und solitären Wespen in ganz Deutschland an, es gab neue Bestimmungsschlüssel und Grundlagenwerke, die wiederum mehr Bearbeiter auf diese Insekten lenkten. 1995 erschien bei der Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie (GNOR) die erste Rote Liste der Wildbienen, Grabwespen, Faltenwespen, Goldwespen, Wegwespen und kleinerer Familien in Rheinland-Pfalz (Schmidt-Egger et al 1995). 2008 entstand der Arbeitskreis „Hautflügler-Kataster Rheinland-Pfalz“, der den rheinland-pfälzischen Teil des bundesweiten Hautflügler-Katasters (www.aculeata.eu) bildet. Hier werden historische und aktuelle Funde erfasst, alte Sammlungen durchgesehen und an der Neuauflage der Roten Liste für unser Bundesland gearbeitet.

Mit einer aktuellen Datenbank lassen sich Trends, Ausbreitungstendenzen und Rückgänge von Arten rasch erkennen und - bei sich änderndem Klima und neuen Insektengiften - einschätzen und bewerten. Das deutschsprachige Mitteleuropa ist durch seine lange Tradition in der Erforschung von Wildbienen und Wespen dafür besonders gut geeignet.

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